Früher gab es: Kaffee. Diese „guten, alten Zeiten“ sind vorbei. Heute bekommen wir mehr als nur ein schwarzes Heißgetränk. Wir dürfen uns freuen über eine unglaubliche Fülle verschiedenster Kaffeevarietäten, die uns mit immer neuen Geschmackserlebnissen überraschen. Und genau hier kommt es manchmal zu Verwirrung: von Zeit zu Zeit werden wir gefragt, warum ein und dieselbe Varietät mal nach Schokolade und Steinobst und mal nach Karamell und Nuss schmeckt. Grund genug, um einen Überblick zu geben, welche Kaffeesorten und Varietäten es gibt, welcher Kaffee für welche Zubereitung passt und welche Varietäten in einer vom Klimawandel geprägten Welt bestehen werden.
Genau wie bei Äpfeln und alle anderen Früchte gibt es auch bei Kaffee die verschiedensten Sorten. Derzeit zählt man in der Wissenschaft 124. Nur die wenigsten davon sind weltweit verbreitet und wirtschaftlich relevant. Die meisten davon sind wild wachsend. Allein vier sind es, die für unseren Genuss angebaut werden: Arabica und Robusta – sie bestreiten mit 99% den absoluten Löwenanteil der weltweiten Produktion. Das restliche 1% stemmen die Exoten Liberica und Excelsa.
Kaffeesorten und Varietäten – das ist der Unterschied
Aus botanischer Sicht unterscheiden sich die Kaffeearten bzw. -Sorten nicht wirklich voneinander. Der Unterschied, auf den es ankommt, liegt in den Varietäten. Diese beiden Begriffe – Sorten und Varietäten – stiften manchmal etwas Verwirrung, weil sie schon mal verwechselt werden. Varietäten sind die vielen Versionen, die ganz besonders Arabica hervorbringt, wie z.B. Caturra, Bourbon oder Geisha. Die Fülle von Varietäten bei Arabica ist enorm. In einem Biosphärenreservat der äthiopischen Region Kaffa, wegen seiner atemberaubenden Biodiversität zum UNESCO Weltnaturerbe erklärt und Wiege der Kaffeepflanzen, wurden über 5.000 Varietäten identifiziert.
Auch bei Robusta entwickelten sich Varietäten. Apoata, Nana, Kouilou sind jedoch die einzig namentlich bekannten, für den Rest hat es lediglich für eine Buchstaben-Zahlen-Kombination gereicht wie CxR, S274 oder IF. Meistens werden Robustavarietäten schlicht als Robusta bezeichnet. „Das liegt u.a. daran, dass der Markt für Robusta noch nicht so weit ist, um über relevante Qualitätsmerkmale zu unterscheiden“, erklärt Thomas Eckel. Das ändert sich jedoch, mittlerweile gibt es Kaffeefarmen, die guten Robusta erzeugen.
Arabica und Robusta: das sind die Unterschiede
Die Kaffeearten Excelsa und Liberica fallen mit einem Anteil von etwas über 1% am Kaffeemarkt wirtschaftlich nahezu unter den Tisch. Daher richten wir unseren Fokus hier auf Arabica und Robusta.
Arabica: Die beliebte Vielfältige
Arabica ist der Ursprung aller Kaffeearten und in Sachen Beliebtheit der unbestrittene Champion. Ca. 60% des weltweit gehandelten Kaffees bestehen aus Varietäten dieser Art. Arabica ist allerdings auch die Diva unter den Sorten. Die Pflanze ist sensibel und wächst nur in einem Klima mit schmalem Korridor: zwischen 16 und 24°C. Ideal sind höhere Regionen ab 1.000m wie z.B. im Hochland vieler latein- und zentralamerikanischer oder afrikanischer Länder. Doppelter Effekt: kühlere Temperaturen lassen die Kaffeekirschen u.a. langsamer reifen, sodass sich die Aromatik länger und intensiver entwickelt. Mittlerweile gibt es eine schier unüberblickbare Fülle an Varietäten mit einem breiten aromatischen Spektrum, von nussig bis blumig, von fruchtig bis würzig und schokoladig, mal kräftig und vollmundig, mal mild und mit leichtem Körper. Die meisten glänzen mit einem ausgewogenen und feinen Säureprofil, das den Geschmack der Bohne auf ein hohes Level hebt. Ihnen allen gemein ist die klassische Kerbe in S-Form auf der flachen Seite. Mit einem Koffeingehalt zwischen 0,8 und 1,7% ist Arabica die mildere Wahl.
Robusta: Der markige Crema-Experte
Da verrät bereits der Name das Programm: die Robusta ist deutlich robuster als Arabica. Diese Sorte ist deutlich pflegeleichter, ertragreicher und widerstandsfähiger gegen Krankheiten wie Kaffeerost oder Schädlingsbefall. Allerdings mag sie es ein bisschen wärmer: ideal ist flacheres Land unter 1.000m bei Temperaturen zwischen 22 und 30°C wie z.B. in Indien oder Vietnam. Robustabohnen sind etwas kleiner als Arabicabohnen und zu erkennen an der geraden Kerbe auf der flachen Seite. Mit einem Gehalt zwischen 1,7 und 4,5% enthalten sie manchmal doppelt so viel Koffein wie Arabica. Robusta bestreitet etwa 35% des weltweiten Kaffeemarktes. Er ist bekannt für seinen typisch kräftigen Geschmack, meist mit schokoladigen Noten. Mitunter kann er jedoch auch erdig und bitter schmecken. „Der bittere Geschmack gehört nicht zwingend zum Profil von Robusta“, sagt Thomas Eckel. „Wenn der Rohkaffee von guter Qualität ist und der Röster sein Handwerk versteht, dann wird es auch bei Robusta kaum zu bitteren Noten kommen.“
Terroir: Warum keine Bohne wie die andere schmeckt
Hin und wieder werden wir gefragt, warum wir z.B. den einen Caturra aus Costa Rica beschreiben mit dem Geschmack von Honig, Krokant und Karamell, den anderen aus Mexiko wiederum mit Karamell, Vanille und Schokolade. Diesen scheinbaren Widerspruch klären wir auf, indem wir heranziehen, was auch Paul Songer dazu sagt: „Wie Kaffee schmeckt, hängt sehr stark davon ab, wo und wie er wächst.“ Der ausgewiesene Kaffeeexperte beschäftigt sich seit Jahren mit diesem Thema und hat den Begriff Terroir aus der Wein- in die Kaffeeanbaukultur übertragen. Paul Songer zieht hier den Begriff Terroir aus der Weinanbaukultur heran. Darunter ist die Gesamtheit aller Faktoren zu verstehen, unter denen Kaffee heranwächst und seinen Geschmack prägen. „Es ist das komplexe interaktive System des Anbaugebietes, bestimmt von Klima, Anbauhöhe, Boden, biologischer Diversität, Kaffeesorte, Varietät und von menschlichen Faktoren wie Kompetenz, ob und welche Düngemittel verwendet werden sowie technische Hilfsmittel bei Ernte und Aufbereitung“, sagt er. „Daher kann es auch sein, dass ein und derselbe Kaffee von einer bestimmten Farm von Jahr zu Jahr immer ein bisschen anders schmeckt, weil es z.B. mehr sonne oder mehr Regen gegeben hat“, erklärt er.
Steckbriefe von Varietäten: Von Elefantenkaffee bis zur königlich geadelten Bohne
Wenn es das interaktive System von Terroir ist, das einer Varietät geschmacklich unterschiedliche Stempel aufdrücken kann: sind Steckbriefe von Varietäten, wie man sie immer wieder antrifft mit allgemeinen Merkmalen von z.B. der Bourbon- oder der Geisha-Bohne, dann nicht hinfällig? Dazu sagen wir ganz klar: Jein. Denn grundsätzliche Merkmale, die bestimmte Varietäten prägen, gibt es tatsächlich. So mag der eine Bourbon-Kaffee fruchtig, der andere schokoladig schmecken, in beiden steckt aber immer eine bestimmte Milde und Grundsüße als gemeinsamer Nenner. Um diese Merkmale bestmöglich entfalten zu können, brauchen die Varietäten die Voraussetzungen dazu, nämlich: ideales Terroir. „Nicht jede Farm, nicht jede Aufbereitung, nicht jede Höhenlage etc. ist für jeden Kaffee geeignet“, weiß Thomas Eckel aus Erfahrung.
„Geisha z.B. ist zu Recht eine der exklusivsten Bohnen, die es gibt. Kommt Geisha jedoch aus einem Gebiet, in dem diese Varietät nicht die Bedingungen findet, um wirklich gut zu werden, wird dieser Kaffee seinem Ruf nie gerecht und viel zu teuer verkauft“, fügt er hinzu. In den letzten drei, vier Jahren beobachtet er jedoch eine positive Wende. Erfolgreiche Farmen oder Kaffee-Institute wie z.B. in Kolumbien werden sich der Bedeutung von Terroir immer bewusster und bauen entsprechende Varietäten an bzw. sprechen Empfehlungen aus. „Deshalb erzielen in den anspruchsvollen Cuppings des Cup of Excellence immer mehr Varietäten, die in früheren Jahren keine größere Beachtung fanden, herausragende Ergebnisse“, berichtet er.In ihrer Daseinsberechtigung also unangetastet, folgen hier Steckbriefe einiger bekannter Varietäten:
Maragogype: die „Elefantenbohne“
Maragogype / Maragogipe wächst, ungewöhnlich für Arabica, in relativ niedriger Lage zwischen 600 und 1.200m. Maragogype ist besonders aus zwei Gründen: zum einen ist sie die einzige Kreuzung zwischen Liberica und Arabica, zum anderen ist sie bis zu ein Drittel größer als andere Arabica-Varietäten. Deshalb nennt man sie auch „Elefantenbohne“. Diese Varietät wird bevorzugt, wenn Kaffee mild sein soll mit wenig Säure.
Geisha: die Hochexklusive
Geisha-Kaffe gehört zur Königsriege unter den Bohnen. Diese Varietät braucht intensive Pflege und ist dazu nicht ganz so ertragreich, was sie allein dadurch schon zur Rarität kürt. Die Mühe lohnt sich jedoch für die Kaffeefarmen, denn das Aroma von Geisha kann so außergewöhnlich und intensiv sein, dass er zu den teuersten Kaffees der Welt zählt. Geisha braucht hohe Lagen, um wirklich gut zu werden, unter 1.600m geht gar nichts. Geisha schreibt v.a. in Panama an seiner Erfolgsgeschichte. Er schmeckt, je nach Region, blumig, v.a. nach Jasmin, nach Orangenblüten und Bergamotte.
Bourbon: die Adlige
Sämtliche Bourbon-Varietäten haben eine ausgeprägte Süße und sind bekannt für ihre Milde. Voraussetzung dafür ist ein mineralhaltiger Boden, weshalb Bourbon-Kaffees am besten werden, wenn sie in der Nähe von Vulkanen wachsen. Übrigens: ihren Namen haben sowohl Vanilleschote als auch Bohne von der französischen Insel La Réunion – früher trug sie den Namen Bourbon, benannt nach dem französischen Adelshaus der Bourbonen. Bereits Louis XIV., berühmter Sonnenkönig und bekanntester Bourbone, schätzte eine gute Tasse Kaffee.
Caturra: die Klassische
Diese Bourbon-Varietät ist die Bohne in Lateinamerika schlechthin. Sie ist klein und trotzdem ertragreich. Allerdings kann Caturra auch zur Mimose werden: sie ist anfällig für Kaffeerost. Was den Geschmack angeht, bietet Caturra ein breites aromatisches Spektrum von fruchtigen sowie süßen und nussigen Noten.
Castillo: die Neue
Castillo ist typischerweise in Kolumbien zuhause. Diese Bohne ist ein Beispiel für eine Kreuzung, die vom Menschen ins Leben gerufen wurde. 2005 wurde sie im Cenicafe Research Center entwickelt, um eine robuste Arabicavarietät zu schaffen. Castillo geht immer in die süße Ecke, ganz typisch sind seine fruchtigen Noten.
Welcher Kaffee passt zu welcher Zubereitung?
Wenn wir Arabica und Robusta hören, stecken wir die Sorten in die Schubladen „Filterkaffee“ und „Espresso“. Im Grunde ist das nicht ganz verkehrt, denn Robusta eignet sich tatsächlich besser als Espresso. Zum einen aufgrund seines kräftigen Charakters, zum anderen wegen seiner dünneren Schale, die die Öle besser austreten lässt und für eine großartige Crema sorgen. Bei Arabica klappt dieses kategorische Denken nicht mehr. Arabica ist geschmacklich deutlich komplexer, und es gibt eine Menge Varietäten, die als Espresso genauso gut funktionieren wie als Filterkaffee. Dennoch eignet sich nicht jeder Arabica als Espresso. Und auch das gilt nicht immer. „Ein bestimmter Kaffee mag als Espresso nicht schmecken, wohl aber als Cappuccino, denn seine Säuren entwickeln in der Verbindung mit Milch oder Milchalternativen einen anderen Geschmack“, erklärt Thomas Eckel diesen Widerspruch. Sein Tipp: gute Röstereien verkosten ihre Kaffees und geben immer Genussempfehlungen ab.
Zukunftsmusik: wie Kaffeetrinken in 20 Jahren funktionieren könnte
Einer französischen Studie zufolge könnten bis 2050 weltweit 50% der für Kaffee geeigneten Anbauflächen verloren gehen, wenn keine entschiedenen Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden. Da der Kaffeekonsum weltweit immer weiter ansteigt, ist das eine doppelte Herausforderung. Für den Kaffeesektor bedeutet das u.a., die Suche nach hitze- und dürrebeständigen Varietäten zur Suche nach dem Heiligen Gral zu erklären, wie es Dr. Aaron Davis, Leiter des Institutes Coffee Research von Royal Botanic Gardens, Kew in London formuliert. In dieser Hinsicht wird bereits an mehreren Stellen gearbeitet. So stieß Davis‘ Forschungsteam auf die ausgestorben geglaubte Kaffeeart Stenophylla als vielversprechende Anwärterin für neue Kaffees. Sie verträgt höhere Temperaturen und scheint geschmacklich an Arabica heranzukommen. An anderer Stelle wird nach Varietäten gesucht, die hitze- und dürrebeständig sind und gleichzeitig weniger CO2 im Anbau erzeugen.
Diese Thematik wird Kaffeeerzeugern immer bewusster. Daher machen sich immer mehr Kooperativen und Farmer Gedanken. „Wir werden noch viel Neues zu sehen bekommen“, ist sich Thomas Eckel sicher. „Das Kaffeesortiment wird sich nicht im nächsten Jahr völlig verändern. Ich bin mir jedoch sicher, dass eine Veränderung in etwa fünf bis sieben Jahren realistisch ist.“