Die Methoden, Kaffee nach der Ernte aufzubereiten, werden immer vielfältiger. Das liegt am Fachwissen der Kaffeebauern, das immer profunder wird – und zum Experimentieren anregt. Eine recht neue „Spielart“ ist die anaerobe Fermentation, die Potenzial hat, neue Türen in der Kaffeewelt aufzustoßen. Unser Kaffeeexperte Michael Eckel erklärt, was anaerobe Fermentation überhaupt bedeutet, was sie mit Kaffee macht und warum diese Methode eine sehr vielversprechend ist.
- Was passiert bei der Fermentation von Kaffee?
- Trend oder wegweisende Neuerung?
- Anaerobe Aufbereitung am Beispiel der Finca Aquiares
- Was passiert bei der Fermentation von Kaffee?
Um nicht zu sehr in eine biochemische Stunde abzudriften: unter Fermentation versteht man die Veränderung eines Lebensmittels durch mikrobielle Organismen wie Bakterien oder Hefe. Wir kennen das von Sauerkraut oder Essiggurken, die durch diesen Prozess haltbar gemacht werden. „Dieser Vorgang ist grundsätzlich schon immer auch bei der Verarbeitung von Kaffee passiert“, weiß Michael Eckel. Werden die Bohnen getrocknet, bleibt immer ein Teil des Fruchtfleisches an ihnen haften, egal ob trocken oder nass aufbereitet. Mikroorganismen verstoffwechseln den darin enthaltenen Fruchtzucker und beeinflussen so den Geschmack der Bohne. „Neu an der Methode, die als ,anaerobe Fermentation‘ bezeichnet wird, ist, dass diesem Prozess der Sauerstoff entzogen wird, sodass viele neue Geschmacksrichtungen möglich sind. Je nach Varietät und Mikroflora kann das in ganz unterschiedliche Richtungen gehen, und das macht die Sache so spannend.“
2. Trend oder wegweisende Neuerung?
Warum es das nicht schon früher gab, hat Gründe. Kaffeebauern eignen sich immer mehr Fachwissen an, sind kompetenter als noch vor zehn Jahren. Damit haben sie mehr Möglichkeiten. Sie können innovative Wege gehen und experimentieren gerne. „Das führt dazu, dass die Qualität von Kaffee, gerade von Spezialitätenkaffee, immer besser wird. Das wiederum bedeutet, dass die anaerobe Fermentation von Kaffee eine neue Nische von Qualitätskaffee erschaffen könnte“, erklärt Michael Eckel.
Das zeigt, dass auch das Kaffee-Business sich zu einem Sektor wandelt, in dem Innovationen immer schneller aufkommen und Qualitätsstandards in der Verarbeitung gesetzt werden, so wie z.B. bei Wein. Allerdings werden in der Kaffee-Fermentation nicht speziell kultivierte Bakterien verwendet wie beim Wein. Kaffeebauern oder Kooperativen, die diesen neuen Weg gehen, setzen auf ihre „Hauskeime“, also die Bakterien, die die jeweilige Region als natürliche Mikroflora – und Fauna hergibt. „Nichts und niemand ist frei von Bakterien, sie sind überall und haften bereits an den Kaffeekirschen. Sie sind es, die den gewünschten Effekt der Fermentation herbeiführen“, sagt Michael Eckel. Das Ergebnis ist oftmals umwerfend: der Geschmack ist einzigartig und sehr ausdrucksvoll.
3. Anaerobe Aufbereitung am Beispiel der Finca Aquiares
Es gibt zwei unterschiedliche Methoden bei der Fermentation von Kaffee: eine mit und eine ohne Sauerstoff. Bei ersterer bleibt der verlesene Pergamino für zwölf bis 36 Stunden in einem Becken voller Wasser. Bei der anderen und effektiveren werden die Kaffeekirschen in einem Behälter luftdicht eingeschlossen, bei dem Luft durch ein Ventil nach außen weichen kann.
Die zuckerhaltige Mucilage bietet Mikroorganismen aller Art reichlich Nahrung. Bakterien, Hefen, Pilze beginnen hier, sich zu vermehren. Bakterien und Enzyme beginnen, die langkettigen Zucker der Mucilage aufzuspalten. Sobald die Kirschen einen ph-Wert von 4,3 erreicht haben, ist der Prozess abgeschlossen.
Im nächsten Schritt werden die Kaffeekirschen zunächst ca. zwei Tage auf dem Boden unter Sonneneinwirkung und dann zwölf Tage auf sog. African Beds getrocknet, das sind Hochgestelle, die eine homogene und schnellere Trocknung von oben und unten her ermöglichen.
Im letzten und längsten Schritt folgt der Schliff: samt getrocknetem Fruchtfleisch lagert der Kaffee dann zwei Monate lang in luftdichten Säcken. Dadurch intensiviert sich der Geschmack wie beim Reifen von Wein. Anschließend wird das Fruchtfleisch entfernt und ausgeliefert.