Man wirft die grüne Bohne rein, und raus kommt sie braun. Klingt nach einem simplen Prozess. Kaffeerösten ist aber viel komplizierter, als das sichtbare Ergebnis nahelegen mag. Keiner weiß das besser als Thomas Eckel. Bei Lord Gardiner Smith hatte er den richtigen Riecher. Den jungen Hawaiianer als Röster zu holen, war, wie er sagt, eine „Wahnsinnsbereicherung“, gerade wenn er auf die zehnjährige Betriebsgeschichte blickt. Selbst der große Kaffee-Guru Paul Songer sagt, dass er etwas Besonderes ist. Wenn Lord Gardiner Smith über Kaffee spricht, sind das nämlich nicht nur Worte. Es ist, als ob er seine Liebe vorstellt. Sein Herz öffnet sich, und mit all dem, was aus ihm heraussprudelt, schafft er es binnen kurzer Zeit, auch den ärgsten Kaffeemuffel in seinen Bann zu schlagen…
Du bist erst vor vier Jahren nach Deutschland gekommen, konntest kein Wort Deutsch – und jetzt bist du seit gut zwei Jahren „Chefröster“ der Murnauer Kaffeerösterei! Hättest du jemals gedacht, dass dein Weg so sein würde?
LGS: Nein, ganz und gar nicht! Das alles kam nur so, weil ich auf Hawaii, wo ich lebte, meine heutige Frau kennengelernt habe, eine Murnauerin. Mit ihr kam ich nach Deutschland. Da war es erst mal hart. Ich konnte kein Wort Deutsch, deshalb hat es erst nur für einen Job als Tellerwäscher gereicht. Und eines Tages, da bin ich dann Thomas begegnet…
Diese eine Begegnung reichte, um deinem Leben eine andere Wende zu geben?
LGS: Ja, das kann man so sagen. Es war in seinem Kaffeehaus. Nachdem wir ein bisschen über Kaffee geredet hatten, setzte er mir mehrere Tassen vor und bat mich, sie zu verkosten. Was ich da geschmeckt habe, hat mich umgehauen, das weiß ich noch wie heute! Da habe ich zum ersten Mal erkannt, was Kaffee wirklich ist. Wenn man bedenkt, dass ich bis dahin noch nie welchen getrunken hatte und ich rein gar nichts drüber wusste…
Du hast nichts über Kaffee gewusst und bist heute doch der „Chefröster“ bei Thomas?
LGS: Thomas schien begeistert davon zu sein, was ich alles aus den Kaffees herausschmecken konnte. Dann kam er mit dem unerwarteten Angebot, ich solle das Rösten bei ihm lernen, gleich schon in der darauffolgenden Woche. Ich sagte Ja, dachte aber, dass er das unmöglich ernst meinen konnte. Er blieb aber hartnäckig, rief mich an und machte mir klar, dass er mich wirklich haben wollte. Heute weiß ich: das war das Angebot meines Lebens.
Jetzt stehst du täglich am Röster und bist eine der Personen, die die Murnauer Kaffeerösterei mit am stärksten prägen, weil du den Kaffee röstest, den die Menschen genießen. Wie fühlt sich das an?
LGS: In erster Linie freue ich mich, dass ich hier rösten darf, denn Kaffee bin ich nicht mehr zu denken. Ich fühle mich, als wäre ich ein künstlerisch begabter Koch. Die Bohne hat alles, was wir brauchen, man muss nur das aus ihr herauskitzeln, was sie zu bieten hat, und zwar genauso, dass alle Nuancen ihres Aromaspektrums perfekt miteinander harmonieren.
Das klingt gar nicht so einfach… was muss ein Röster denn mitbringen, um guten Kaffee hinzubekommen?
LGS: Geduld und viel Gefühl. Gerade am Anfang hilft nur eins: Proben rösten und verkosten, immer und immer wieder. Nur so bekommt man ein Gefühl dafür. Es ist ja nicht jede Bohne gleich. Bohnen aus dem Hochland z.B. wachsen langsamer, haben deshalb eine härtere Schale und nehmen die Hitze nicht so schnell an wie Bohnen aus niedriger gelegenen Anbaugebieten. Dann hat jede Bohne ihren eigenen Aromenkosmos. In afrikanischen Bohnen steckt meistens etwas Fruchtiges, amerikanische Bohnen haben das nicht so sehr, da findet man eher schokoladige Töne. Man schmeckt sich nach und nach in die Geschmackskarte der Welt hinein. Die muss man kennen, erst dann weiß man, was man aus jeder Bohne herausholen kann und muss.
Kann man das denn lernen? Jeder schmeckt ja anders…
LGS: Man kann das schon lernen – bis zu einem gewissen Grad. Den größten Teil eines guten Rösters aber macht sein Gefühl aus. Man braucht Intuition, um zu wissen, was die Bohne braucht. Viele Faktoren spielen eine Rolle, die sich täglich ändern. Temperaturen z. B. Das Rösten ist stark wetterabhängig. Und wie warm oder wie kalt ist die Röstanlage an sich etc. Ich kann oft nicht wirklich erklären, warum ich heute anders röste als gestern. Man hat sowas einfach im Blut.
Eine neue Bohne für das Sortiment musst du also erst kennenlernen?
LGS: Genauso kann man das sagen. Wenn die Bohne z.B. aus Guatemala kommt, dann weiß ich, dass da etwas Schokoladiges, vielleicht auch Nussiges in ihr stecken muss. Dann röste und verkoste ich so lange, bis ich das ideale Verhältnis der einzelnen Geschmackskomponenten gefunden habe. Das kann schon mal vier Wochen dauern.
Erkennst du deinen Kaffee unter anderen?
LGS: Ja, das kann ich. Aber dafür braucht es viel Übung, ich brauchte ein halbes Jahr, um dorthin zu kommen. Das heißt eine Menge Tassen Kaffee zu verkosten…
Kannst du eigentlich noch in einem Café bei einer Tasse sitzen ohne jeden Schluck kritisch zu bewerten?
LGS: Das kann ich schon. Natürlich schmecke ich Kaffee heute ganz anders als früher. Aber ich will gar nicht so sehr bewerten und auf die Arbeit anderer Röster schauen. Ich will mich davon nicht beeinflussen lassen, jeder hat seinen eigenen Stempel. Ich selber sehe meine Arbeit aber immer kritisch. Ich will täglich besser werden, alles noch besser aus der Bohne rausholen. Das ist meine Leidenschaft, da will man immer besser werden.
Das klingt nach einem Ziel, das du verfolgst…
LGS: Das habe ich tatsächlich. Ich möchte nächstes Jahr bei der deutschen Röstmeisterschaft antreten. Das wird anspruchsvoll aber richtig interessant. Jeder Röster bekommt ein- und dieselbe Sorte. Dann hat man eine Stunde, um das Beste daraus zu machen.
Man kann deutlich heraushören, dass Kaffee eine große Rolle in deinem Leben spielt…
LGS: Mein Herz habe ich irgendwo im Röster verloren… Kaffee ist etwas Wunderbares! Vor vier Jahren wusste ich noch nichts über Kaffee. Heute habe ich unglaublichen Respekt vor ihm, weil auch so viel wertige Arbeit ihn ihm steckt, angefangen bei den Bauern bis hin zum letzten Schritt beim Barista. Davor habe ich Achtung, und ich bin froh, dass die Murnauer Kaffeerösterei Direct Trade verfolgt, bei dem jeder in der Kette fair entlohnt und respektiert wird.
Wie trinkst du deinen Kaffee am liebsten?
LGS: Filterkaffee. Im Gegensatz zu früher ohne Milch und Zucker. So schmecke ich alles am besten heraus.